S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Informationen über Restaurierungen und Instandsetzungen, Erfahrungsberichte, die man hier anderen weitergeben kann.
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Henning Peters
Quickly-Freak
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S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Henning Peters »

Hallo zusammen,

nachdem ich hier wertvolle Tipps für die Restauration erhalten habe, möchte ich euch die Restaurationsgeschichte meiner S23 nicht vorenthalten.
Die S23 mit Baujahr 1965 wurde bis 1980 gefahren und stand seitdem im Schuppen meiner Oma.
Schon in den letzten Jahren habe ich immer mal wieder einen Blick auf die Maschine geworfen, eine Restauration dann aber immer wieder verworfen. Schließlich habe ich dann 2011 meine längeren beruflichen Fort- und Weiterbildungen erfolgreich hinter mich gebracht und damit einiges an freier Zeit wieder verfügbar.
So kam dann der Entschluss, die Maschine wieder mit neuem Leben zu erwecken.

Als ich sie abholte, im August 2012, sah sie so aus:
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Insgesamt viel Rost, defekte Satteldecke, verbeulte Schutzblechstreben, defekte Vorderlampe, innen total verrosteter Tank.
Für mich als Büromensch, aber handwerklich nicht ganz unbegabt, war das also erstmal eine Herausforderung. Aber hier im Forum bekommt man ja schonmal jede Menge Tipps und die Suchfunktion hilft auch oft weiter. Außerdem hatte ich durch den Vater einer Freundin einen versierten Oldtimerschrauber und KFZ-Meister sozusagen als Joker, der mir das eine oder andere Mal weiterhelfen konnte.

Am Anfang stand die Frage, inwieweit die alte Substanz erhalten bleiben konnte.
Da der Rost aber schon teils großflächig vorhanden war und der Tank durch den starken inneren Rostbefall eh einer komplett-Sanierung bedurfte, war die Entscheidung zu Gunsten einer kompletten Neulackierung schnell getroffen.

Vor dem Auseinanderschrauben stand allerdings noch der Motortest an.
Dazu habe ich in den Benzinschlauch mit einer Einwegspritze etwas Gemisch gefüllt und den Motor angetreten. Gleich beim ersten Antreten sprang er an!

Nun ging es also an das Auseinanderschrauben und Sandstrahlen.
Zum Auseinanderschrauben und Aufbewahren der Teile kann ich jedem nur den Tipp geben, die Teile in Baugruppen in Tüten und Kartons zu legen und zu beschriften. Das hat mir beim Zusammenbau Monate später viel Sucharbeit erspart.
Außerdem habe ich von jedem Bauschritt Fotos gemacht, die mir später beim Zusammenbau wieder geholfen haben.
Wo wurde nochmal das Kabel genau verlegt? In welcher Reihenfolge sitzen die Schutzblechstreben auf der Befestigungsschraube?

Die Teile habe ich allesamt zu Hause mit dem Sandstrahler behandelt. In der großen blauen Tonne ließ sich das Strahlgut wunderbar auffangen und wiederverwenden. Einige Tage gehen dabei aber schon drauf, das sollte man nicht unterschätzen. Insgesamt habe ich drei Wochen für die Sandstrahlarbeiten gebraucht.
Den Tank habe ich mit Kreem wieder gut hinbekommen, und der sah wirklich grausam aus. Der Rost hatte sogar schon einige kleine Löcher an der Innenseite zum Rahmen hin bewirkt. Sieht aus wie mit dem Schrotgewehr beschossen.

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Das Lackieren hat dann der Profi übernommen, Fehler beim Lackieren sehen einfach blöd aus, kosten viel Zeit und Geld und irgendwo sind einem halt auch Grenzen gesetzt. :roll:

Nach dem Lackieren ging es dann an den Zusammenbau. In dem Zusammenhang haben die Räder noch neue Lager bekommen, die alten hatten schon recht viel Spiel und wenn man schon alles auseinander hat....

Der Zusammenbau ging insgesamt schneller als gedacht und so konnte ich Ende März den Motor unterschrauben und die erste Probefahrt drehen. Das war schonmal sehr vielversprechend.
Ich machte noch einen Getriebeöl"wechsel", altes Öl kam aber kaum raus. Und dann kam es: Nach dem Auffüllen mit Getriebeöl qualmte die Quickly und stank nach verbranntem Öl und Gummi. :shock:
Ins Forum geschaut und nach gefragt: da war wohl ein kleiner Dichtring im Motor defekt, Centartikel mit großer Wirkung.
So fiel dann der Entschluss, den Motor einer kompletten Revision zu unterziehen, was ich eigentlich gar nicht wollte.
Wer keine Ahnung von der Motorrevision hat und es selbst machen möchte: ist gar nicht so schwer.
Original-Instandsetzungsanleitung besorgen, Anleitung zur Motorrevision von Motormauges besorgen, Spezialwerkzeug besorgen und los geht's.
Das Werkzeug ist vielleicht nicht unbedingt notwendig, erleichtert die Arbeit jedoch ungemein und für 40-50 Euro tut man sich eigentlich keinen gefallen, wenn man durch nicht vorhandenes Werkzeug etwas kaputt macht. Das wird dann meistens teurer. Also, Werkzeug ist empfehlenswert.

Ach ja, und IMMER dran denken: Gewalt hilft NIE, dann lieber nochmal nachlesen, hier suchen und nachfragen.
Es gab IMMER einen gewaltfreien Weg, festsitzende Teile auseinander zu bekommen.

Ganz hilfreich ist auch, sich hier das eine oder andere lange Thema zur Motorüberholung durchzulesen. Die meisten Fehler wurden alle schon gemacht und hier beschrieben, insbesondere wie man durch Gewalt und Unwissen schnell mal eine Welle oder Gehäusehälfte kaputt bekommt.

Und was bei mir fast immer geholfen hat: Kiefernholzleisten in verschiedenen Dicken und Gewindestangen M6 mit Muttern und Unterlegscheiben. Quasi das Universalwerkzeug, um den Motor auseinander zu bekommen:

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Auch hier gilt natürlich: keine Gewalt und nach fest kommt ab. Also Muttern immer langsam und vorsichtig anziehen und wenn's mal schwer geht, sofort anhalten und nach einer Alternative oder der Ursache suchen.

Die Reinigung und Durchsicht aller Teile war dann recht schnell gemacht. Auch bei Motor hat es sehr geholfen, für jede Zahnradwelle oder Baugruppe einen Karton hinzulegen. So sieht man sofort, ob man eine Schraube oder Unterlegscheibe vergessen hat. Auch Fotos von jedem Schritt helfen beim Zusammenbau.

Die Lager habe ich mittels Heißluftföhn sehr gut herausbekommen und auch wieder eingesetzt bekommen. Die Simmerringe waren da deutlich schwieriger, aber mit Geduld geht auch das.

Mit dem Heißluftföhn habe ich auch den Auspuff "ausgebrannt", kam doch ordentlich was raus:
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Am Ende alles wieder zusammengebaut, auf Leichtgängigkeit geachtet und kein Teil vergessen - und fertig war der Motor.

Dann der große Moment - Antreten und er springt an.

Die ersten Probefahrten habe ich im näheren Umkreis im Ort gemacht und schließlich immer weiter.
Doch dann: nach den ersten 100 Kilometern lief der Motor auf einmal wieder schlechter, nahm das Gas nicht mehr so gut an, lief nur noch 35... :x

Aber da der Motor ja eigentlich ganz einfach ist, kann die Ursache nicht so schwer zu finden sein - Zündung oder Vergaser.
Beim Kontrollieren der Zündung habe ich dann festgestellt, das die Kontakte funken geschlagen haben - das war dann wohl der Kondensator, der seinen Rest bekommen hat.
Also neuen Kondensator und neue Zündkontakte bestellt und eingebaut - lief schon besser. Aber bei Vollgas ab 35 Km/h immer wieder viertakten und wenig Leistung im oberen Drehzahlbereich. Auch die Zündkerze war schwarz. Also doch noch etwas mit dem Vergaser.
Und dann beim Auseinanderbauen des Vergasers sah ich den Fehler sofort. Die Nadeldüse hat sich durch die Vibrationen der Fahrt lose gerödelt und fiel von selbst aus dem Vergaser, nachdem ich die Mutter darüber abgeschraubt hatte. Die Nadeldüse habe ich wohl nicht richtig fest gezogen.
Nachdem ich nun alle Teile am Vergaser wieder richtig fest zusammengebaut hatte, lief die Quickly wieder wie vorher, fast noch ein bisschen besser mit frisch eingestellter Zündung.

Ich hoffe, das bleibt nun auch erstmal so.

Und so sieht sie jetzt aus, das Wappen am vorderen Schutzblech habe ich heute erst angebaut, das fehlt hier noch.

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Viele Grüße
Henning
Quickly S23 Bj 1965
Quickly-Fahrer
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Quickly-Fahrer »

Hallo Henning!

Eine sehr schöne Quickly S23 im tollen Zustand.
Nicht überrestauriert-Klasse!

Viel Spass mit deinem tollen Moped,

Oliver
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Echze
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Echze »

Hallo Henning,

schöner Bericht, sehr interessant, anschaulich und ausführlich.

Dein Werk ist Dir gut gelungen. Ich wünsche Dir allzeit gute FAhrt!
Beste Grüße vom Niederrhein
Peter
starpalast
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von starpalast »

[quote="Quickly-Fahrer"]Hallo Henning


Viel Spass mit deinem tollen Moped

Hallo Henning Eine Frage bitte ,Ich bin dabei meine S23 neu einzuspeichen
kannst Du mir sagen welchen Abstand die Felgen vorne und hinten
zur Bremstrommel haben muß , denn die Naben sitzen ja nicht Mittig.
Mit dank im vorraus vom Starpalast
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Solidworker
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Solidworker »

Hallo Starpalast,

um Probleme mit Seitenversatz zu vermeiden, montiere ich die Räder zum Zentrieren stets in den Rahmen bzw. in die Gabel. Das ist doch der beste Zentrierständer und die Felge läuft hinterher perfekt mittig.

Gruß Dieter
Chris83
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Chris83 »

Hey Henning, saubere Geschichte, sieht gut aus
an den motor habe ich mich noch nicht ran getraut!

Grüße
Henning Peters
Quickly-Freak
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Re: S23 nach 30 Jahren wieder erwacht

Beitrag von Henning Peters »

Hallo Chris,

der Motor ist gar nicht so schwierig. Vor dem Auseinanderbauen hatte ich auch so meine Bedenken.
Falls Du den nochmal auseinander baust: nie Gewalt anwenden, das kann teuer werden.

Viele Grüße
Henning
Quickly S23 Bj 1965
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